„Patienten mit metastasiertem kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) können unter Ausnutzung der therapeutischen Möglichkeiten mit individuell aufeinander abgestimmten Therapielinien mehrere Jahre bei guter Lebensqualität überleben“, erläuterte Dr. med. Stefan Machtens, Urologe am GFO Klinikum Rhein-Berg, Bergisch Gladbach, anlässlich der 9. Pressekonferenz „Expertise Prostata“ in Berlin. Es gehe darum, diese Chance zu nutzen. Die Therapieentscheidung müsse sich an definierten Kriterien orientieren.
„Sowohl die Taxan-basierte Chemotherapie als auch die Androgenrezeptor-gerichteten
Substanzen (ARTA) sind effektive Therapieoptionen beim mCRPC“, betonte Machtens. Bei
der Entscheidung, welche Therapie wann eingesetzt wird, müssten zunächst potenziell
endokrine Resistenzen beachtet werden. Bei etwa einem Viertel der Patienten liege
eine primäre endokrine Resistenz vor [1,2]. Ein wichtiger klinischer Hinweis sei das
nur kurze Ansprechen auf die primäre Androgendeprivationstherapie [3]. Liegt dieses unter
einem Jahr, sollten Patienten mit mCRPC first-line eine Chemotherapie mit Docetaxel
gefolgt von Cabazitaxel erhalten. Um eine endokrine Resistenz frühzeitig zu erkennen,
empfiehlt Machtens vierteljährlich eine Bildgebung. Das PSA-Ansprechen ist kein
zuverlässiger Parameter für ein Tumoransprechen: 24,5 Prozent der Patienten zeigten
in der PREVAIL-Studie mit Enzalutamid einen radiologischen Progress ohne
PSA-Anstieg [4,5]. Zudem müsste bei der Therapieplanung die mittlerweile mehrfach
prospektiv nachgewiesene Kreuzresistenz zwischen den beiden ARTAs beachtet werden:
So wiesen in der PLATO-Studie nur 2,5 Prozent der Patienten ein PSA-Ansprechen von
über 50 Prozent auf die zweite ARTA-Therapie auf [6]. Nach Abirateron-Versagen sollten
Patienten nicht mit Enzalutamid weiterbehandelt werden und umgekehrt.
Therapieentscheidung nach definierten Kriterien
„Bei Chemotherapie-fitten Patienten sind tumorbedingte Beschwerden und/oder
viszerale Metastasen klassische Kriterien für den Einsatz der Chemotherapie [7]“,
betonte Machtens. Bei asymptomatischen oder mild symptomatischen Patienten
komme eine Chemotherapie bei aggressiver Tumorbiologie in Betracht [7]. Wichtige
Kriterien sind eine kurze PSA-Verdopplungszeit (<55 Tage), ein hoher Gleason
Score sowie ein hoher LDH- beziehungsweise ALP-Wert [7]. Zudem bestehe bei
Patienten mit entdifferenziertem Karzinom eine Chemotherapie-Indikation [8].
Grundsätzlich empfiehlt Machtens, bei einem Chemotherapie-fitten Patienten
immer über den frühzeitigen Einsatz der Chemotherapie nachzudenken, da die
Chemotherapie umso besser vertragen werde, je besser die Knochenmarkreserve ist.
Vorteile der frühzeitigen Chemotherapie nutzen
„Bei frühzeitigem Einsatz der
Chemotherapie haben die Patienten auch eine gute Chance, alle wirksamen
Therapieoptionen zu erhalten“, ergänzte Machtens. Eine ARTA-Therapie werde
auch noch nach Chemotherapie von den Patienten vertragen. Umgekehrt sei dies
nicht immer der Fall, weshalb bei spätem Einsatz der Chemotherapie viele
Patienten nur noch eine Chemotherapie (Docetaxel) erhalten und Cabazitaxel
als Therapieoption verloren gehe. Dies sollte vermieden werden. Denn: Die
beste Prognose hätten jene Patienten mit mCRPC, die im Therapieverlauf zwei
Chemotherapien (Docetaxel und Cabazitaxel) und eine ARTA-Therapie erhalten [9].
Machtens wies darauf hin, dass Cabazitaxel speziell für die Situation nach
Docetaxel-Versagen entwickelt wurde und in diesem resistenten Patientenkollektiv
einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber Mitoxantron aufwies. Die Substanz
zeige daher auch bei nur kurzem Ansprechen auf Docetaxel eine gute Wirksamkeit [10].
Die CAPRISTANA-Studie [11] zeige zudem, dass sich unter Cabazitaxel-Therapie
tumorbedingte Schmerzen deutlich zurückbilden und die Patienten von einer
verbesserten Lebensqualität profitierten. So zeigten 53,6 Prozent der Patienten
eine Verbesserung der Schmerzsymptomatik und 32,2 Prozent eine Verbesserung ihrer
Lebensqualität unter Cabazitaxel. Gegenüber Docetaxel habe Cabazitaxel Vorteile
bei der Verträglichkeit, da die Substanz insbesondere weniger Fatigue, Alopezie,
Schmerzen, Diarrhö, Übelkeit und Nagelveränderungen induziere [12]. Dies zeige die
randomisierte Phase-III-Studie CABADOC, in der die Patienten Cabazitaxel gegenüber
Docetaxel deutlich präferierten (43 Prozent vs. 27 Prozent) [12].
Fast fünf Jahre erfolgreiche Chemotherapie
Carsten Lange, niedergelassener Urologe mit urologisch-onkologischer Schwerpunktpraxis
in Bernburg, berichtete von einem 77-jährigen Patienten mit mCRPC, den er
insgesamt 4,5 Jahre erfolgreich mit Docetaxel (first-line) und Cabazitaxel
behandelte. Der Patient erhielt 21 Zyklen Docetaxel und zehn Zyklen Cabazitaxel
und erreichte jeweils einen deutlichen PSA-Abfall bei insgesamt sehr guter
Therapieverträglichkeit.
Arzt-Patienten-Kommunikation optimieren
Dr. Sven Benson, Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Essen, empfiehlt, die Kommunikation zwischen Arzt und Patient für eine erfolgreiche medizinische Behandlung nicht zu unterschätzen. Es gehe darum, den Patienten nicht nur vor Nebenwirkungen zu warnen, sondern ihn auch über die prognostische Bedeutung einer wirksamen Therapie und die damit verbundenen Chancen aufzuklären. Benson regte an, die Mechanismen von Placebo-Effekten dafür zu nutzen, Wirksamkeit und Verträglichkeit von medizinischen Behandlungen zu optimieren.
Referenzen:
[1] de Bono JS, et al., NEJM 2011, 364: 1995-2005.
[2] Scher HI, et al., NEJM 2012, 367: 1187-1197.
[3] Sonapavde G, et al., BJU int. 2018 Febr 1. DOI:10.1111/bju.14152.
[4] Pezaro CJ, et al., Eur Urol 2014, 65: 270-273.
[5] Rathkopf D, Scher HJ, The Cancer Journal 2013, 19(1): 43-49.
[6] Attard G, et al., ASCO 2017, JCO 35: 5004a.
[7] Maroto P, et al., Crit Rev Oncol Hematol 2016, 100: 127-36.
[8] van Soest R, et al., Eur Urol 2014, 66: 330-336.
[9] Maines F, et al., Crit Rev Oncol Hematol 2015, 96: 498-506.
[10] de Bono JS, et al., Lancet 2010, 376: 1147-1154.
[11] Pichler A, et al., ESMO 2017, Poster 812P.
[12] Fizazi K, et al., Ann Oncol 2017, 28 (suppl 5). DOI: 10.1093/annonc/mdx370
Quelle: 9. Pressekonferenz „Expertise Prostata“ am 20. Juni 2018 in Berlin. Veranstalter: Sanofi Deutschland
Juli 2018 |
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